zur Ausstellung „Auf dem Weg“, am 29. 10. 2009 (verkürzt)

Ausgehend vom Ausstellungstitel „Auf dem Weg“, birgt dieser schon alle wichtigen Merkmale, die das Werk von Dagmar Dost-Nolden kennzeichnen, in sich.

Gemeint ist der Weg der ewigen Energie in den verschiedensten Formen. Die Bewegung dieser Energie und ihre ständige Veränderung und Entwicklung. Es geht der Künstlerin nicht um das Stabile, Fertige, sondern um das Bewegte, die Zwischenstufe, das Werden und Vergehen.

Oft ist es nichts Bestimmtes, was man gut benennen könnte, weil es nämlich immer ein Prozess ist, der dargestellt wird. So ist es mit fast allen Titeln der Kunstwerke. Sie sind wie Geheimnisse, welche genug Spielraum für die Assoziationen der Betrachter lassen.

Die Künstlerin setzt  diese Titel oft erst im Nachhinein, da sich während des Malprozesses eine Richtung abzeichnen kann, die sie weiter verfolgt und dann benennt.

Die leuchtenden Farben fließen auf der Leinwand und der Betrachter taucht in den Strom dieser Energie und dessen Dynamik ein. Es gibt keinen Anfang und kein Ende und genau diese Zwischenebene steckt voll von Kontrasten und Spannungsverhältnissen, nicht zuletzt dem der Fläche zur Linie.

Das Bewusste steht dem Unterbewusstem gegenüber, das Rationale dem Irrationalem, die Spontaneität der vorangegangenen Planung, konkrete gegen geistige Begriffe.. Der Mensch zwischen Erkennbarem, Geahntem und Realem. Genau er ist es, der alles, was die Künstlerin sichtbar machen will, in sich vereinigt,: er bewegt sich, verwandelt sich und setzt  Energie frei. Er handelt aus Emotionen und Stimmungen.

Diese abstrakten Begriffe wie Energie, Dynamik, Impuls, Bewegung, Atmosphäre, Licht, Luft finden  durch Farbzusammenballungen, Farbstrudel, Explosionen ungezügelter Bewegungen einen Weg auf die Leinwand.

Es gibt keine formale Mitte, doch oft einen Mittelpunkt, der durch eine intensivere Farbe und vor allem durch die unterschiedliche Oberflächengestaltung gegeben wird.

Diese unterschiedliche Partien erzielt die Künstlerin durch eine besondere Technik. Sie schlemmt  die Leinwände vorher mit Kreide ein, so dass die Feuchtigkeit die Farbe aufsaugt und die Pigmente so unregelmäßig auf dem Grund verteilt. So kommt es zu leicht transparenten Partien, die wie ein Aquarell wirken.

Das beimischen des Sandes hingegen führt zu einer haptischen Oberfläche. Eigentlich verdichtet der Sand, doch führt er auch zu einer gewissen Leichtigkeit und Lebendigkeit, da die Zwischenräume der Körner auf der Leinwand eine Bewegung erzeugen. Er formt die figürlichen Partien und lässt den Betrachter verschiedene Figuren erkennen. Mal sieht der Betrachter einen direkten figürlichen Bezug und mal bekommt  er durch den Titel eine Richtung angezeigt.

Diese zu Anfang flüchtig wirkende und in einigen Momenten sicherlich auch so umgesetzte Arbeitsweise ist eigentlich sehr zeitaufwändig.

Doch nicht nur bei der Herstellung, sondern vor allem bei der Betrachtung, spielt der Zeitaspekt eine besondere Rolle.

Ein flüchtiger Pinselstrich fordert nach einem intensivem Blick, denn nur so offenbart sich die Energie des Bildes, nur so taucht  man ein in den Strudel der Bewegung, begibt sich auf den Weg in das Bild.

Die Energie verbreitet sich über den Rahmen hinaus in den Raum. So wurden auch die Leinwandoberflächen mit der Zeit immer plastischer und so war der Schritt in den Raum, hin zu Skulptur, eine logische Folge, eine räumliche Fortsetzung. Hier wurden die Aspekte der Malerei Dagmar Dost-Noldens in ein anderes Medium übersetzt

Es handelt sich bei den Skulpturen um extrem reduzierte Körper, die sich ebenfalls auf dem Weg befinden, auf dem Weg hin zum Werden oder Zerfließen. Diese Körper strahlen eine gewisse Ruhe aus. Gezeigt wird ein stiller Moment in einem Bewegungsfluss, der kurz zum Stillstand gekommen ist. Das Material, das Eisen, birgt durch die Hilfe des Lichtes genauso wie die ganze Skulptur durch ihre 3-Dimensionalität wiederum Bewegung in sich. Die Sonne taucht das Material  in verschiedene Rot-Töne. Die 3-Dimensionalität führt zu einer Mehransichtigkeit und ein Umschreiten der Figur versetzt sie in Bewegung.

Ich möchte auf einen weiteren Bereich im Werk der Künstlerin aufmerksam machen, dem der Leinwand als Skulptur. An den Leinwänden befinden sich plastische Elemente, die die Leinwand über den Rand hinaus erweitern und so die Energie verdeutlichen, die keine Begrenzung kennt und frei in den Raum fließt. Die Künstlerin verteilt diese frei stehenden Leinwände im Raum und schafft einen Bezug zwischen ihnen.

In Einordnung des Werkes in den kunsthistorischen Kontext, spielt der Weg der Künstlerin von Prag nach Köln im Jahr 1978 eine bedeutende Rolle. Nach hervorragendem Diplomabschluss bei einem in Bezug auf verschiedenen Kunstrichtungen sehr offenen Professor an der Kunstakademie in Prag stößt die Künstlerin Ende der 70er Jahre in Deutschland auf viele verschiedene radikale Strömungen, eine wilde Szene mit einer ausgeprägten schöpferischen Freiheit. Dies führte zwangsläufig zu einem anfänglich zurückgezogenem Arbeiten für sich selbst. Dennoch war sie natürlich direkt von diesen Strömungen  umgeben und das gesehene führte zu einer Weiterentwicklung ihrer eigenen Kunst.

Dies lässt sich besonders in Bezug auf die Neo-Expressionisten beobachten. Die expressive Abstraktion Dagmar Dost-Noldens hat viele Parallelen zu der als künstlerische Außenseiterposition begriffene Strömung, die sich Anfang der 60er Jahre als Abkehr zum vorherrschenden Informel bildete. Die Bildsprache zeichnet sich durch spontane und emotional heftige Gestik aus.

Sie forderten nach der Rückkehr der Malerei zu einer persönlichen, symbolischen Bildsprache, natürlich mit einem direktem Bezug zu den Expressionisten am Anfang des Jahrhunderts. Genau diese Bildsprache finden wir auch in dieser Ausstellung. Doch diese Parallelen, sowohl thematisch als auch in der technischen Umsetzung, erlauben es nicht, die Künstlerin einer direkten Strömung unterzuordnen, da sie ihre doch ganz eigene Bildsprache erfunden hat.

Auch Bewegung findet Ihren Ausdruck. Personen, Energiequellen, die direkt aufeinander reagieren. Doch nicht nur die Energie der Figuren ist zu sehen, sondern auch die Energie des Raumes, die sie umgibt und mit der sie interagieren.

Die unterschiedliche Oberflächengestaltung ist deutlich zu sehen. Helle stehen dunklen Partien gegenüber, transparente eher schweren, und der Sand erzeugt in den Figuren eine Bewegung. Sehr deutlich ist bei diesem Sujet natürlich der Bezug zum Theater, dem Tanz, der Performance, die bei der Künstlerin eine ebenso große Rolle wie die bildende Kunst spielen.

Der Tanz und auch die Performance sind direkte Ausdrücke des Menschen selbst, ein Freisetzen von Energien außerhalb der Leinwand und des Materials. Somit bündelt dieses Beispiel alle Aspekte, die der Künstlerin wichtig sind. Der Mensch und die Energie, die er frei setzt und die Ihn umgibt, seine Bewegung und Dynamik., die sich nicht nur inhaltlich, sondern auch durch die Wahl künstlerischen Mittel ausdrückt.

Dagmar Dost-Nolden schafft es mit wenigen Mitteln einen solch vielschichtigen Ausdruck zu erzeugen, wie es diesen vergleichsweise kaum gibt.

Ihr internationales Ansehen zeigt sich in den Sammlungen und Ausstellungen rund um den Globus, in denen sie vertreten ist und auch auf der Biennale in Venedig ist dieses Jahr eine Rauminstallation von ihr zu sehen. Begeben Sie sich nun auf den Weg hinein in das Bild und lassen sie sich von den verschiedenen Energien mitreißen.